Am letzten Freitag strahlte ARTE live von der Berlinale die Premiere der restaurierten Fassung des Filmes Metropolis aus.
Ich muss zugeben: Vor diesem Artikel auf heise.de wusste ich nichts über den Film, doch der Artikel brachte mich dazu, den Film anzusehen. Groß war die Neugierde: Wie waren die Zukunftsvisionen 1927? Wie stellte man sich 1927 die Gesellschaftsprobleme der Zukunft vor? Welche Aussagen wollte man 1927 mit einem solch Epochalen Film transportieren.
Nach dem Ansehen des Filmes bliebt bei mir ein eher gemischtes Gefühl.
Pro:
- Die Kulissen und Spezialeffekte waren wirklich beeindruckend, besonders wenn man sich vor Augen führt, dass solche Effekte damals viel mehr Material und Zeitaufwand bedeutet haben.
- Die Technischen Visionen (Einschienenbahn, Mensch-Maschine) lassen mich auch aufgrund der bildlichen Umsetzung staunen
- Die gesellschaftlichen Fragen halte ich auch heute noch für aktuell.
- Die Abhängigkeit der Menschen von den Maschinen und die Abhängigkeit der Maschinen von den Menschen in der nicht der Mensch gibt den Takt vorgibt sondern die Technik.
- Der Größenwahn der Menschen
- Das Ausnutzen anderer Menschen für das eigene Wohlergehen
- Die Bildung von Ghettos. Die Arbeiter werden in der Unterwelt eingesperrt, die Oberen sperren sich selber im Club der Söhne ein.
Contra:
- Die doch etwas zu einfach gestrickte Handlung. Ich denke das auch hier wie bei vielen aktuellen Filmen ein (zu) großes Augenmerk auf die Technik und die Bildgewalt gelegt wurde. Der Gesellschaftskonflikt löst sich im Endeffekt dadurch, dass alle an einem Strang ziehen? Das Gehirn bleibt das Gehirn, die Hand bleibt die Hand und zwischen beiden vermittelt das Herz als Heilland?
- Der im Film offen dargestellt Antisemitismus
Besonders die beiden letzten Punkte lassen mich grübeln. Angeprangert wird also die Gesellschaftsform in der das Hirn (Die herrschenden, denkenden) die Hände ausnutzt. Die Revolution (Marxismus) frisst aber anscheinend ihre Kinder und ist somit auch nicht das angestrebte Ziel.
Dann scheint der Erfinder Rotwang der moralische Verlierer zu sein. Diese Figur wird durch die Darstellung eines Davidsterns an seiner Haustür und in seinem Labor eindeutig als Jude gekennzeichnet und die damals klischeehaften Vorurteile gegenüber Juden auf ihn angewendet. Er ist clever, hinterhältig, erschafft den Mensch-Maschine als genaues Abbild des Menschen, spielt somit also Gott und lässt diese für sich so arbeiten, dass der Untergang Metropolis eingeleitet werden soll.
Ich frage mich an dieser Stelle, ob dies einfach nur ein Stilmittel war. Im Stummfilm konnte man ja keine Sprache verwenden um jemanden Eingenschaften "in den Mund zu legen" und hat deshalb vielleicht die damals in der Gesellschaft vorhandenen Vorurteile ausgenutzt um einer Person diese Eigenschaften zu geben. Oder sollte dies evtl. doch dazu dienen diese Vorurteile auch noch zu festigen, seine personalisierte Meinung über Menschen jüdischen Glaubens auszudrücken.
Je weiter ich diese Gedanken verfolge, desto mehr Angst bekomme ich vor der heutigen Gesellschaft. Der Antisemitismus war keine Erfindung der Nationalsozialisten sondern in der europäischen Gesellschaft seit Jahrhunderten in verschiedensten Ausprägungen vorhanden. Und wenn ich dann überlege, welche verschiedenen Ausprägungen dabei zum Vorscheinen kamen, von der pauschalisierten Zuordnung von Charaktereigenschaften aufgrund des Glaubens, über gesellschaftliche Ausgrenzung und Ächtung aufgrund des Glaubens bis zum systematischen Massenmord an Millionen Menschen.
Nein, ich kann dies nicht gutheißen, weder als Stilmittel noch, und das ganz besonders, als Vorurteilsbildende oder festigende Aussage im Film.
Um darauf zurückzukommen warum ich vor der heutigen Gesellschaft Angst habe: Auch heute begegnet man immer wieder plumpen Vorurteilen die Mitglieder einer Personengruppe über einen Kamm scheren. Sei es aufgrund des persönlichen Gesellschaftstatuses ("Der faule Arbeitslose" oder abgemildert “Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.”), des Berufes ("der raffgierige Banker"), der Hautfarbe, des Glaubens oder des Vaterlandes.
Alle Menschen sind Individuen und jeder bildet seine Charaktereigenschaften meiner Meinung nach nur durch die Einflüsse in seiner näheren Umgebung aus. Besonders im Kindesalter.